"Es geht nicht so sehr um das Motiv, als vielmehr um die Malerei an sich."
( Jan De Vliegher )

Jan De Vliegher bezeichnet sich selbst als Formalist, dem die Komposition auf der Leinwand wichtiger ist, als das Motiv. Es geht ihm "um die Malerei an sich", um die Kunst um der Kunst willen oder um die Kunst für die Kunst ( "L’art pour L’art" ). Diese bekannte Redewendung einer französischen Kunsttheorie des 19. Jahrhunderts will sagen, dass sich die Malerei selbst genügt und keinem höheren Zwecke dient. Schwerpunkt der Malerei sei, die künstlerische Form und die ästhetische Gestaltung und nicht die perfekte Abbildung der Wirklichkeit, weshalb dieser kurze Satz sehr zutreffend die Malerei Jan De Vlieghers umschreibt.

Diese Leidenschaft des Malers für die Malerei, für Farbe und deren Komposition, für das Spiel von Licht und Schatten sowie von Hell und Dunkel ist beim Betrachten seiner leuchtenden Arbeiten deutlich spürbar. De Vliegher, der von sich selbst sagt, "er könne alles malen" und "müsse sich selbst davon abhalten", verfügt über ein umfangreiches motivisches Oeuvre: so gibt es Detailansichten von in Glasvitrinen ausgestelltem Porzellan ( "Sèvres" ), Gläsern oder antiken Tellern, Büsten und Skulpturen, Gebäudefassaden ( "Cinque Terre 9" ), Innenansichten alter Schlösser ( "Hofburg 6", "Hofburg 3" ) und klassische Blumenstillleben. Daneben finden sich Gartenansichten ( "Garden 6", "Iris Garden 3" und "Garden 8" ), die an Monets Seerosen erinnern, blühende Äste ( "Blossoms 8", "Blossoms 5" ), Küstenansichten ( "Zee 2", "Zee 3" ) und viele mehr. Es sind immer Ausschnitte einer den Betrachter umgebenen und wahrnehmbaren Welt oder Detailansichten von Gegenständen, denen De Vliegher Leben einverleibt und für den Betrachter wahrnehmbar macht. Es sind Momentaufnahmen, scheinbar zufällige Bildausschnitte, die den Eindruck des Malers von der Wirklichkeit zeigen. Die Nummerierung der einzelnen Arbeiten weist darauf hin, dass der Maler viele seiner Motive zu Serien entwickelt, um das formale Element zu studieren. Er möchte mit seiner Malerei zeigen, dass die Realität, in der wir leben, einem ständigen Wandel unterworfen ist und nicht konstant existiert, sondern etwas rein Subjektives ist: "Jeder hat seinen eigenen Rahmen, durch den er schaut. Für mich ist dieser Rahmen die Idee von absoluter Schönheit" und diese, so der Maler, findet er überall.

Die Maltechnik des belgischen Malers ist besonders und beeinflusst vom Impressionismus und dem Abstrakten Expressionismus ( zum Beispiel das Malen aus der Schulter heraus ). Ideen für seine Motive findet De Vliegher, wie erwähnt, überall. Hat er eine Idee konkret entwickelt, macht er ein Foto vom Objekt oder der Landschaft. Dieses vergleicht er mit den Vorzeichnungen, die die ( niederländischen ) Alten Meister vor dem eigentlichen Malakt anfertigten. Die Aufnahme bearbeitet er am Computer und nutzt den ausgedruckten Print als "Referenz". Anschließend mischt er seine Farben, ein Vorgang, der mitunter mehrere Stunden dauern kann und dem Maler zur innerlichen Vorbereitung dient, denn meist befinde er sich danach "bereits im Bild und muss die Farbe nur noch auf die Leinwand bringen und mit Energie aufladen". Was einfach klingt, sieht ebenso leicht aus. Mit einer schnellen und leichten Hand trägt der Maler die Farbe auf die Leinwand auf, blickt dabei immer wieder auf den Print, der zuerst an der Wand hängt, dann in seiner Hand zwischen ihm und der Leinwand ist. Wie Van Gogh und Monet malt auch De Vliegher Nass in Nass, während die Farbkleckse wiederum an die Malerei von Jackson Pollock erinnern.

De Vliegher geht es bei seiner Malerei nicht darum, ein getreues Abbild der Wirklichkeit zu zeigen, sondern einen Ausschnitt seiner Wirklichkeit, denn nur diese kann er selbst erfahren. Sein umfangreiches malerisches Oeuvre beweist, dass die Bedeutung der Malerei als wichtigste Gattung der Bildenden Kunst nie verloren war.

De Vliegher wurde 1964 in Brügge geboren. Im Alter von 18 Jahren begann er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste, das er 1986 erfolgreich abschloss. Seit 2003 unterrichtet er Malerei und Zeichnung an der Stedelijke Academie Brügge und an der Art academy Knokke. Jan De Vliegher lebt und arbeitet in Brügge, Belgien.